Mitgefühl: In Alltag und Forschung - page 186

Wirklichkeit nicht verzerrt, während Emotionen dies tun“
(S. 141, eigene Übersetzung).
In den meisten Beiträgen dieses Buches geht es um Mitgefühl in diesem Sinne, also eher um eine
geistige Ausrichtung als um eine Emotion (beispielsweise im
, das Mitgefühl als
ein Zusammenspiel von emotionalen, kognitiven, attentionalen und somatischen Prozessen
beschreibt; siehe auch
,
Ein solches weiter gefasstes Verständnis
von Mitgefühl lässt sich auf vielerlei Weisen in Teilaspekte zerlegen, welche alle mit Hinblick auf
bestimmte Zwecke ihre Berechtigung haben. Das Modell, das wir in den nächsten Absätzen
vorstellen, wurde als Grundlage für die Schulung des Mitgefühls in einem weiter gefassten Sinne
entwickelt und soll es für die wissenschaftliche Untersuchung innerhalb von Psychologie und
Neurowissenschaften zugänglich machen.
Das ReSource-Modell des Mitgefühls
Das ReSource Modell wurde als Grundlage für eine mit europäischen Mitteln geförderte
Längsschnittstudie zum Mitgefühlstraining entwickelt, die unter Leitung von Tania Singer und
ihrem Team durchgeführt wird (siehe
für Informationen zum Trainingsprotokoll). Die
Projektbezeichnung impliziert, dass die Kultivierung des Mitgefühls den Aufbau von Ressourcen in
unterschiedlichen Bereichen (beispielsweise kognitiv, affektiv, motivational, sozial) beinhaltet.
Dabei ist mit einer Kultivierung nicht der Erwerb vollkommen neuer Fähigkeiten gemeint, sondern
ein Prozess, bei dem wir auf bereits vorhandene Qualitäten und Dispositionen zurückgreifen (die
gemeinsam als die „Quelle“, engl.: source, bezeichnet werden könnten, siehe auch
1)
.
Abbildung 1: Das ReSource-Model des Mitgefühls
Die erste wichtige Unterscheidung des Modells (Abbildung 1) betrifft die Unterscheidung zwischen
affektiven und kognitiven Aspekten des Mitgefühls. Der
affektive
Bereich umfasst den Umgang mit
schwierigen Emotionen, die Erzeugung von Gefühlen der Liebe, der Wärme und des Wohlwollens
sowie prosoziale Motivationen. Der kognitive Bereich wird in dem Modell als „
Perspektive
bezeichnet, weil er sich auf die Fertigkeiten bezieht, eine bestimmte beobachtende Perspektive auf
die eigenen Gedanken einzunehmen (Metakognition), verschiedene Aspekte des „Selbst“ bewusst
wahrzunehmen, sowie die Perspektiven anderer Menschen zu verstehen. Wie im Laufe der
186
1...,176,177,178,179,180,181,182,183,184,185 187,188,189,190,191,192,193,194,195,196,...557
Powered by FlippingBook