Mitgefühl: In Alltag und Forschung - page 500

Die G.R.A.C.E.-Intervention
Die Technik der G.R.A.C.E.-Intervention soll Ärzte dabei unterstützen, Mitgefühl in der Begleitung
und Versorgung ihrer Patienten zu fördern. Sie wird hier als Beispiel für die zentralen
kontemplativen Interventionen des BWD-Trainings vorgestellt.
Die erste Version des G.R.A.C.E.-Prozesses wurde für Ärzte in der Sterbebegleitung im Rahmen
eines Programms entwickelt, das ich in einem staatlichen Krankenhaus unterrichtete. Seitdem wird
die G.R.A.C.E.-Intervention von Ärzten, Therapeuten, Seelsorgern und Sozialarbeitern als
Methode angewandt, Mitgefühl in der Interaktionen mit ihren Patienten zu fördern. Der G.R.A.C.E.-
Ansatz basiert auf dem A.B.I.D.E.-Mitgefühlsmodell von Halifax, das in Kapitel 12 beschrieben
wird. G.R.A.C.E. ist ein mnemonisches Instrument, das den Klinikarzt während der Interaktion mit
einem Patienten an die einzelnen Schritte der Mitgefühlskultivierung erinnert. Das Akronym
G.R.A.C.E. steht für „Gathering Attention“ (Aufmerksamkeit sammeln), „Recalling Intention“
(Intention erinnern), „Attunement to self and other“ (Einstimmung auf sich selbst und den anderen),
„Considering what will truly serve the Patient“ (Bedenken, was dem Patienten wirklich dient) und
schließlich „Ethically Engaging and Ending the Interaction“ (Ethisch handeln und die Interaktion
beenden).
1. Aufmerksamkeit sammeln: A/A-Achse: Aufmerksamkeitsbereich; Fokus, Erdung, Balance
2. Intention erinnern: A/A-Achse, I/I-Achse: Affektiver/kognitiver Bereich: Die Ressource der
Motivation
3. Einstimmung auf sich selbst/den anderen: A/A-Achse: Affektiver Bereich: Resonanz
4. Erwägung: I/I-Achse: Kognitiver Bereich: Einsicht/Urteilskraft: Was ist dienlich
5. Durchführung: E/E-Achse: Somatischer Bereich: Ethische Umsetzung, Beendigung
Ich habe diese Kurzintervention entwickelt, weil Klinikärzte oft eine direkte, einfache und effiziente
Möglichkeit brauchen, sich bewusst für das Erleben ihres Patienten zu öffnen und geerdet zu
bleiben, wenn sie sich das Leid anderer (und das eigene) vergegenwärtigen und bestrebt sind, in
komplexen klinischen Situationen einen mitfühlenden Weg zu finden.
Das folgende Skript haben meine klinischen Kollegen, Dr. Tony Back, Onkologe und
Kommunikationsspezialist, und Dr. Cynda Rushton, Professorin für Pflegewissenschaften und
Klinikethikerin an der John Hopkins University, mit mir gemeinsam verfasst. Dieser Text kann
Klinikärzte dabei unterstützen, ihr Mitgefühl zu aktivieren, wenn sie mit einem Patienten
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