Mitgefühl: In Alltag und Forschung - page 329

einem kreativeren, flexibleren und rezeptiveren Lebensansatz führt, der Wachstum und
Gesundheit fördert.
Liebende-Güte-Meditation, subjektive Erfahrungen und gesundheitliche Veränderungen
siehe
Die Literatur, die sich mit sozialer Nähe und positiven Emotionen beschäftigt, geht davon aus,
dass sich die Gefühle von Menschen, die „warme und liebende“ Empfindungen im Zusammenhang
mit Mitgefühl erfahren, in der Folge auf ihren Körper und ihre Seele auswirken
,
. Der
beste Test, ob solche subjektiven Erfahrungen ein potentieller Wirkmechanismus für Mitgefühl
sind, wäre es jedoch, Mitgefühl experimentell hervorzurufen und dann im Zeitverlauf
Veränderungen im subjektiven Erleben und in den Körperfunktionen zu beobachten. So könnte
man überprüfen, a) ob Mitgefühlsmeditationen soziale Nähe und positive Emotionen hervorrufen
und b) ob soziale Nähe und positive Emotionen eine Beziehung zwischen Mitgefühlstraining und
gesundheitlichen Veränderungen vermitteln.
In zwei Studien zur Liebende-Güte-Meditation beschäftigten sich die Wissenschaftler mit diesen
beiden Fragen. Die Liebende-Güte-Meditation (oder
Metta
) ist eine gefühlsorientierte Übungsform,
die von der buddhistischen Tradition abgeleitet wurde. Bei
Metta
konzentrieren sich die
Meditierenden auf Sätze wie „Mögen alle Lebewesen glücklich sein“, „Mögen alle Lebewesen
sicher sein“, „Mögen alle Lebewesen in Leichtigkeit leben“, während gleichzeitig positive liebende
Gefühle gegenüber der Zielperson der Meditation gefördert werden und das Senden der
Emotionen zur Zielperson visualisiert wird. Obwohl es bei
Metta
nicht ausschließlich darum geht,
Leid zu lindern, so ist es eine Art von Mitgefühlsmeditation, bei welcher die Absicht des
Meditierenden essentiell ist. Die Intention des Meditierenden ist bei dieser Meditation darauf
ausgerichtet, dass andere Menschen Frieden und Freude erleben können
Durch das
bewusste Erzeugen von herzlichen und liebenden Gefühlen für andere erhöhen die
Praktizierenden ihre „Tagesdosis“ an positiven Emotionen und sozialer Nähe mit Folgen für die
seelische und körperliche Gesundheit.
Die Liebende-Güte-Meditation fördert die seelische Gesundheit, indem sie die Häufigkeit oder
Intensität positiver emotionaler Erfahrungen verstärkt. In einer der Längsschnittstudien wurden die
Studienteilnehmer entweder einer Meditationsgruppe oder einer beobachtenden Wartelisten-
Kontrollgruppe zugeteilt und gaben über einen Zeitraum von neun Wochen täglich Berichte über
ihre positiven Emotionen ab. Die Teilnehmer, die der Liebende-Güte-Meditationsgruppe
zugeordnet waren, besuchten einstündige Gruppenmeditationsseminare pro Woche unter der
Leitung eines in der Liebende-Güte-Meditation erfahrenen Lehrers. Sie erhielten zudem eine CD
mit einer geführten Meditation und wurden angehalten, auch während der Woche selbstständig zu
üben. Die Teilnehmer der Wartelisten-Kontrollgruppe erhielten kein Training. Ihnen wurde aber die
Möglichkeit angeboten, nach Abschluss der Studie an einer Meditationsschulung
teilzunehmen
.
Im Verlauf der Studie verstärkten sich die positiven Emotionen bei den Meditierenden, während die
Teilnehmer der Kontrollgruppe keine Veränderung zeigten. Signifikanterweise verstärkten sich die
positiven Emotionen nicht nur durch den Effekt der Studienbedingung, sondern auch mit der Länge
der für Meditationen aufgewandten Zeit. Mit anderen Worten: Teilnehmer, die im Laufe der Studie
nach eigenen Angaben mehr Zeit mit Meditationen verbrachten, zeigten stärkere Zunahmen bei
den positiven Emotionen. Daraus lässt sich schließen, dass die Vorteile der liebenden Güte auf die
Meditation selbst zurückzuführen waren und nicht auf kontextuelle Faktoren wie etwa den Lehrer
oder die gemeinsame Lernzeit in einer Gruppe.
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