Mitgefühl: In Alltag und Forschung - page 333

Das Hervorrufen von Mitgefühl über die Liebende-Güte-Meditation scheint die Frequenz oder die
Intensität von Erfahrungen sozialer Nähe und positiver Emotionen zu erhöhen. Und diese
subjektiven Erfahrungen haben wiederum Folgen für die seelische und körperliche Gesundheit.
Interessanterweise können Verbesserungen der Gesundheit die Wahrscheinlichkeit erhöhen, in
Zukunft Mitgefühl zu erleben. In der zweiten oben beschriebenen Längsschnittstudie führte
liebende Güte zu einer Zunahme positiver Emotionen, die zu stärkerer sozialer Nähe führten, was
wiederum in einem Anstieg des Vagustonus resultierte. Darüber hinaus ließ sich jedoch schon zu
Beginn der Studie aufgrund des Vagustonus eine Zunahme positiver Emotionen und sozialer Nähe
bei den Teilnehmern über den Achtwochenzeitraum voraussagen
Dieses bemerkenswerte
Ergebnis lässt darauf schließen, dass sich der Körper mit dem Erleben von Mitgefühl in einer
Weise verändert, die die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass in Zukunft mehr Mitgefühl erlebt wird. In
dieser Aufwärtsspirale prognostiziert Mitgefühl ein stärkeres Erleben von sozialer Nähe und
positiven Emotionen, was zu einer besseren Gesundheit führt, die wiederum die subjektiven
Auswirkungen der Mitgefühlspraxis verstärkt. Durch diesen bidirektionalen Prozess von Wachstum
und Veränderung kann sich Mitgefühl zu einer selbsterhaltenden, mühelosen Praxis entwickeln,
bei der jeder Moment des Mitgefühls den nächsten Mitgefühlsmoment noch wahrscheinlicher
macht.
Abbildung 2.
Theoretisches Modell einer konzeptionellen Aufwärtsspirale von Mitgefühl (Compassion).
Schlussfolgerungen
Ein mitfühlendes Leben ist durch positive Emotionen und Empfindungen der sozialen Nähe
gekennzeichnet. Diese subjektiven Erfahrungen fühlen sich nicht nur angenehm an, sondern
spielen auch eine bedeutende Rolle in Bezug auf weitreichendere Auswirkungen des Mitgefühls
auf die seelische und körperliche Gesundheit. In dem Maß, in dem Mitgefühl die Zahl der
Momente mit positiven Emotionen erhöht, kann sich die seelische Gesundheit verbessern. In dem
Maße, in dem Mitgefühl das Empfinden der Nähe zu anderen in der Welt verstärkt, kann sich die
Fähigkeit des Körpers verbessern, seine Balance zwischen sympathischen und
parasympathischen Aktivitäten des Nervensystems zu regulieren. Diese Verbesserungen der
mentalen und physischen Funktionen können wiederum zu größerer Offenheit gegenüber
künftigen Erfahrungen von Mitgefühl führen.
Bidirektionale Verbindungen und Aufwärtsspiralen des Mitgefühls
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