Mitgefühl: In Alltag und Forschung - page 20

E I N L E I T U N G
Ein Gespräch zwischen Tania Singer &
Olafur Eliasson
Moderiert von Matthias Bolz
Matthias Bolz:   Sie kommen aus unterschiedlichen Arbeitsbereichen. Tania, Sie sind
promovierte Neurowissenschaftlerin und interessiert an sozialen Emotionen wie Empathie,
Schadenfreude und Mitgefühl, während Sie, Olafur, ein bildender Künstler sind. Sie haben den
von Tania organisierten Workshop
in Ihrem Studio im Juli 2011
ausgerichtet. Wann und wie trafen Sie sich und wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Tania Singer:
   Wir trafen uns das erste Mal während der Falling Walls Conference im November 2010,
bei der wir beide als Redner auftraten. Am Abend vor der Konferenz gab Olafur in seinem Studio einen
Empfang, wo wir uns über Empathie und emotionale Resonanz unterhielten. Er erzählte mir von seinem
großen Interesse an den Konzepten der „gefühlten Gefühle“ und der emotionalen Resonanz. Ich
glaube, unser nächster Kontakt erfolgte, als Sie mich im Januar des folgenden Jahres anriefen, um mit
mir über meine Forschung zu Mitgefühl, emotionaler Ansteckung und Empathie zu sprechen. Wenn ich
mich richtig erinnere, dachten Sie damals daran, an einem größeren Projekt zu arbeiten, das im
Zusammenhang mit kollektiv gefühlten Gefühlen stand.
Olafur Eliasson:
   Das ist richtig. Das gemeinsame Erleben eines Gefühls oder einer Erfahrung ist
etwas, das ich schon mehrere Male angesprochen habe. Wie verändert es die eigene Wahrnehmung
eines Gemäldes, wenn man beim Anschauen dieses Gemäldes neben einer anderen Person steht?
Welche Impulse von anderen gelangen in das eigene Wahrnehmungsfeld? Aus meiner Sicht ist dies ein
Bereich, in dem Kunstgeschichte versagt hat; sie hat es nicht geschafft, die Bedeutung der
gemeinsamen Erfahrung von Dingen zu erkennen. Dies ist ein Feld, auf dem das Thema der
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