Mitgefühl: In Alltag und Forschung - page 21

Konnektivität zum Tragen kommt – wie das Bewusstsein, in Verbindung mit anderen zu stehen,
unseren Subjektivitätssinn beeinflusst. Wir sind auf fundamentale Weise voneinander abhängig und
koproduzieren uns tatsächlich gegenseitig. Und ich fand Sie sehr inspirierend, da Sie eine Reihe von
Gesprächsansätzen zu diesen Themen haben, die zum größten Teil in der Kunstsphäre fehlen und bei
der Behandlung von Fragen nützlich sein können, die sonst eher sehr dogmatisch behandelt werden.
Im Wesentlichen bin ich sehr interessiert an der Verstrickung von Kunst und Gesellschaft und wie sie
sich gegenseitig beeinflussen. Ich bin neugierig auf Mechanismen der Interdependenz – auf welche
Weise wird jemand durch Kunst beeinflusst? Und auf welche Weise beeinflusst jemand wiederum die
Kunst, mit der er sich beschäftigt?
MB:   Was motivierte Sie dazu, das Seminar zusammen auszurichten? Welche Erwartungen
hegten Sie?
TS:
   Wir hatten begonnen, uns sehr ausführlich zu unterhalten – und zwar gerade zu einem Zeitpunkt,
an dem ich mit der Organisation eines internationalen Workshops in Berlin mit dem Titel “How to Train
Compassion?“ beschäftigt war. Ich habe Ihnen davon erzählt und vorgeschlagen, dass wir einen
zusätzlichen Abend zum Thema Mitgefühl organisieren könnten, an dem Kunst und Wissenschaft
zusammenkommen, wenn all diese internationalen Experten sowieso in der Stadt sind. Und wenn ich
mich richtig erinnere, sagten Sie damals spontan: „Warum veranstalten wir dann nicht einfach alles in
meinem Studio?“ Also schlugen Sie praktisch die Ausrichtung des gesamten Workshops in Ihrem
Studio vor.
Das war faszinierend, da meine Motivation des Brückenschlags zwischen Kunst und Wissenschaft
bereits über eine lange Zeit existierte und ich der Kunst immer sehr leidenschaftlich gegenüberstand.
Als junger Mensch habe ich mich sehr mit Theater und Film beschäftigt. Und ich hatte immer das
Gefühl, dass Wissenschaft und Kunst gar nicht so weit auseinander liegen, wie die meisten Menschen
denken – beides sind kreative Felder, beide Felder interessieren sich für Experimente und beide Felder
wollen etwas über die Art der Realität und den fundamentalen Charakter von Menschen und der
Gesellschaft herausfinden. Lediglich die Art, auf die beide Felder diese Fragen angehen, unterscheidet
sich voneinander.
Doch andererseits muss ich auch zugeben, dass ich etwas nervös war, als Sie vorschlugen, das
gesamte Seminar in Ihrem Studio auszurichten – statt nur einen Abend der Interaktion beider Felder,
wie ich es ursprünglich geplant hatte. Die mentalen Übungen und die wissenschaftlichen Vorträge
inmitten Ihres Kunststudios, in dem alle noch am Arbeiten und zusammen am Essen wären … um
ehrlich zu sein, wir waren nicht sicher, ob dies die richtige Umgebung für ein derartig tiefgehendes
Seminar sein würde. Doch nachdem ich die Idee auf mich habe wirken lassen, wachte ich am nächsten
Morgen auf und sagte: „Wenn wir die Integration von Kunst und Wissenschaft wirklich ernsthaft
betreiben wollen, dann ist dies der einzige Weg es zu tun – einfach ins kalte Wasser zu springen und zu
sehen, was aus dieser gemeinsamen Erfahrung entstehen kann.“ Und so entschieden wir uns, Ihr
großzügiges Angebot anzunehmen. Und am Ende dieser vier Tage waren wir alle extrem dankbar
dafür, dass Sie uns diesen Workshop ausgerichtet haben. Es war eine sehr besondere Erfahrung für
uns alle.
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