Mitgefühl: In Alltag und Forschung - page 270

Unterschied in der Schmerzerfahrung gegenüber ihrem Ausgangsniveau, während die
Meditierenden eine erheblich reduzierte Schmerzintensität und Schmerzunannehmlichkeit
zurückmeldeten. Wesentlich war hier, dass die Schmerzreduzierungen bei den Meditierenden mit
der größten Meditationserfahrung am stärksten waren und die Zen-Praktizierenden als Gruppe auf
einem Fragebogen, mit dem die Achtsamkeit gemessen wurde, besser abschnitten. Angesichts
der Tatsache, dass man die Aufmerksamkeit während der Achtsamkeitspraxis auf das Erleben
selbst richtet, ist es wohl unwahrscheinlich, dass die beobachteten Schmerzreduzierungen mit
einem Ablenkungseffekt zusammenhingen, wie es möglicherweise bei dem oben beschriebenen
Yogi der Fall war. Wir nahmen stattdessen in Übereinstimmung mit Beschreibungen von
Achtsamkeit an, dass die Zen-Praktizierenden unseren Anleitungen, mit der Aufmerksamkeit im
gegenwärtigen Augenblick zu bleiben, besser und ohne automatische Bewertung folgen konnten.
Eine ein Jahr später veröffentlichte Studie unterstützt unsere Ergebnisse und kam für
fortgeschrittene Praktizierende der tibetisch-buddhistischen Meditation größtenteils zu ähnlichen
Ergebnissen
. Allerdings zeigten sich bei den Praktizierenden der tibetisch-buddhistischen
Meditation im Gegensatz zu den Zen-Praktizierenden nur Auswirkungen in der affektiven
Schmerzdimension. Wir wollen uns jetzt mehreren Studien mit bildgebenden Verfahren des
Gehirns zuwenden, die uns Einblicke in diese Effekte gegeben haben.
Bildgebungstechniken für das Gehirn, wie die funktionale MRT, eröffnen neue Möglichkeiten,
zwischen verschiedenen konkurrierenden Hypothesen zu unterscheiden. In Bezug auf Meditation
und Schmerz sollte Ablenkung zu reduzierten Schmerzrückmeldungen und analog dazu zu
reduzierten Gehirnaktivitäten führen. Und Achtsamkeit sollte aufgrund der auf den Stimulus
gerichteten Aufmerksamkeit zu einer Schmerzreduzierung und möglicherweise einer höheren
Gehirnaktivität führen. In unserer nächsten Untersuchung setzten wir zur Überprüfung dieser
Hypothesen die fMRI-Technik ein, um die Gehirnaktivität unserer beiden Gruppen während eines
Schmerzerlebens zu messen
Dabei wurden nur zwei Bedingungen berücksichtigt: der
Ausgangszustand (normale Aufmerksamkeit) und Zazen (Zen-Meditation). Den Teilnehmern der
Kontrollgruppe wurde vor dem Scan eine Erläuterung dazu gegeben, wie man Zazen praktiziert.
Die Ergebnisse lassen aufhorchen. Wir stellten fest, dass die schmerzrelevanten Regionen bei den
Meditierenden nach einer Bereinigung um Effekte der Stimulusstärke (die bei den Meditierenden
stärker war) während der normalen Bedingung trotz äquivalenter Schmerzbewertungen stärker
aktiviert waren als bei der Kontrollgruppe (
. Dieses Ergebnis stützt die
Vorstellung, dass sich die Meditierenden direkt auf die Empfindungen fokussieren und sich nicht
bloß ablenken. Gleichzeitig war bei den Meditierenden in einer ganzen Reihe von Hirnregionen
während des Schmerzerlebens eine erhebliche Aktivitätsreduzierung festzustellen. Dies galt aber
nicht für die Kontrollgruppe (
. Zu diesen Hirnregionen zählten Amygdala,
Hippocampus und die orbitofrontalen, medial-präfrontalen und dorsolateral-präfrontalen Kortikales.
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