Mitgefühl: In Alltag und Forschung - page 271

Abbildung 1.
Unterschiede zwischen Meditierenden und Nicht-Meditierenden bei Schmerzinduzierung in nicht-
meditativem Zustand. Die zentralen MRT-Bilder zeigen während des Schmerzzustandes in den Hirnregionen
statistische Unterschiede (orange-gelb: Meditierende > Kontrollgruppe), (blau-grün: Kontrollgruppe > Meditierende). Die
Einfügungen an den Ecken zeigen die durchschnittlichen Aktivitätsniveaus für jede Gruppe (rechte Seite jedes
Kastens) sowie den Zeitverlauf der Aktivität (linke Seite) während der Schmerzexperimente (rot) und der
Warmexperimente (blau) für jede Gruppe separat. Die grauen Balken stellen die Präsenz des Stimulus dar. A: rechts
DLPFC, B: rechts med-PFC/OFC, C: links THAL, D: dACC, sich auf die Mittellinie erstreckend. R= rechts, L = links.
Der orbitofrontale Kortex empfängt bekanntermaßen den sensorischen Input (von allen
Modalitäten) und integriert den relativen Wert oder die relative Bedeutung für das Individuum
.
Die Amygdala ist ein entscheidender Akteur in der Emotionsverarbeitung, am bekanntesten wohl
bei Angst
Der Hippocampus ist eine gedächtnisrelevante Struktur und arbeitet mit dem
dorsolateral-präfrontalen Kortex zusammen, während der medial-präfrontale Kortex mit der
selbstreferenziellen Verarbeitung in Verbindung gebracht wurde
. Was bedeutet dies alles?
Sicherlich gibt es für diese Ergebnisse viele potenzielle Erklärungsansätze. Extrem gut passt das
Hirnaktivitätsmuster allerdings zum Konzept der Achtsamkeit. Erstens dürfte Achtsamkeit die
Beobachtung des gegenwärtigen Erlebens (in diesem Fall des Schmerzes) bewirken, was zu einer
Aktivierung der relevanten Kortexbereiche (ACC, INS, SI, usw.) führen würde. Zweitens erfolgt die
Beobachtung zum jeweils aktuellen Zeitpunkt und schließt deshalb wahrscheindlich die Erzeugung
elaborierter Gedankenkonstruktionen aus. Deshalb könnte man postulieren, dass diese
Geisteshaltung nicht viel an Gedächtnis oder selbstbezogener Verarbeitung voraussetzt, was die
Reduzierungen in der hippocampalen, dorsolateral- und medial-präfrontalen Aktivität erklären
könnte. Eine reduzierte Gedächtnisverarbeitung dürfte auch die Stimulus-Evaluation begrenzen,
die notwendigerweise einen Abgleich der Gegenwart mit Vergangenheit und Zukunft einschließt.
Dies könnte eine Erklärung für die Reduzierung der orbitofrontalen Aktivität sein. Und wenn es
eine reduzierte oder gar keine Evaluation und/oder Verarbeitung der Stimuli gibt, sinkt die
Wahrscheinlichkeit für eine starke emotionale Reaktion, was die reduzierte Amygdala-Aktivität
erklären könnte. Dies wäre zwar angesichts der untersuchten Gruppe eine stimmige Erklärung, ist
aber zugegebenermaßen spekulativ und müsste in künftigen Studien mit Performanzmessungen
verifiziert werden.
Von besonderem Interesse ist ein letztes Ergebnis der Studie. Wir haben untersucht, ob die oben
genannten Hirnregionen während des Schmerzes zeitgleich aktiv (oder inaktiv) waren und ob es in
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