Mitgefühl: In Alltag und Forschung - page 290

Und tatsächlich: Zurück in Zürich wurden die ersten Schritte eingeleitet, um zu untersuchen, ob
auch Ungeübte Techniken trainieren können, die die liebende Güte verstärken. Unter Einsatz einer
neu entwickelten Aufgabe, dem so genannten „Zurich Prosocial Game“, erfasste das
Forschungsteam während eines Computerspiels vor und nach einem Kurzzeittraining in liebender
Güte (in Pali:
metta
unterschiedliche Arten des prosozialen
Verhaltens. Das Team kam zu dem Ergebnis, dass sich das helfende Verhalten gegenüber
Fremden nach einem mehrtägigen Metta-Training verstärkte. Interessanterweise intensivierte sich
das altruistische Verhalten umso stärker je länger Teilnehmer die Liebende-Güte-Meditation
praktizierten
.
Um die Plastizität des Mitgefühls zu erforschen und den Unterschied zwischen Mitgefühl und
Empathie bei Studienteilnehmern zu untersuchen, die noch nie meditiert hatten, startete Olga
Klimecki (eine Promotionsstudentin von Tania Singer) mit Kollegen ein umfangreiches Projekt. Im
Verlauf dieses Projekts führte sie mehrere Kurzinterventionsstudien durch, die sich auf die
Einübung von Empathie oder liebender Güte und Mitgefühl konzentrierten
Dazu
entwickelte Olga Klimecki zunächst eine videobasierte Aufgabe, mit der sich trainingsinduzierte
Veränderungen in den Reaktionen der Teilnehmer auf die Not anderer zuverlässig ermitteln
lassen
Mit Hilfe dieser Aufgabe wurden die Gehirnreaktionen der einzelnen Teilnehmer beim
Anschauen kurzer Ausschnitte aus Dokumentarfilmen erfasst. Diese Filmausschnitte zeigen
Menschen mit Schmerzen oder in alltäglichen Lebenssituationen. Nach jedem Filmausschnitt
berichteten die Teilnehmer ihre positiven und negativen Gefühle sowie den Grad der empfundenen
Empathie. In Übereinstimmung mit vielen früheren Studienergebnissen über Schmerzempathie
[2]
gingen die empathischen Erstreaktionen der Teilnehmer auf das Leid mit Aktivierungen in AI und
aMCC einher. Zudem war vor dem Training der Anblick anderer, Schmerzen erleidender
Menschen mit einem erhöhten Maß an negativen Affekten und einem sehr geringen Maß an
positiven Affekten assoziiert.
Abbildung 4.
Studiendesign der Empathie- und Mitgefühlskurzinterventionsstudien. Die Teilnehmer wurden auf der
Grundlage ihrer zeitlichen Verfügbarkeit einer dieser Gruppen zugeordnet: Affektgruppe, Gedächtnisgruppe und
Mitgefühlsgruppe. Die gestrichelten Linien skizzieren die Längsschnittstudie, die die Effekte des Mitgefühlstrainings (N =
28) mit einer entsprechenden Gedächtniskontrollgruppe (N = 30; Klimecki et al., 2012) verglich. Eine weitere Studie
(Klimecki et al., 2013) untersuchte die Unterschiede, die durch das Training von Empathie und Mitgefühl induziert
werden (als durchgehende Linie markiert). Zu diesem Zweck wurden Daten von der Affektinterventionsgruppe (N = 25)
mit der Gedächtnisgruppe (N = 28) verglichen. Mit Genehmigung.
290
1...,280,281,282,283,284,285,286,287,288,289 291,292,293,294,295,296,297,298,299,300,...557
Powered by FlippingBook