Mitgefühl: In Alltag und Forschung - page 295

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der in der Forschung unternommene Brückenschlag
zwischen der Erste- und der Dritte-Person-Perspektive unter Einbeziehung eines erfahrenen
Meditierers und von Meditationsneulingen dazu beigetragen hat, Empathie und Mitgefühl als zwei
unterscheidbare soziale Emotionen und Motivationen gegeneinander abzugrenzen. Während der
ersten Untersuchung von Empathie bei einem erfahrenen Meditierer führten die Selbstberichte von
Matthieu Ricard und der Vergleich seiner Gehirnaktivierung mit früheren Befunden bei
meditationsunerfahrenen Studienteilnehmern zu entscheidenden Erkenntnissen. Diese
Erkenntnisse aus der Erste-Person-Perspektive resultierten in der Formulierung eines Modells,
das Empathie und Mitgefühl als zwei unterschiedliche innere Zustände mit möglicherweise
unterschiedlichen Konsequenzen für das subjektive Wohlergehen und die Gesundheit
konzeptualisiert. Die Weiterverfolgung dieser Forschungslinie in einer Trainingsstudie mit
Meditationsneulingen hat dazu beigetragen, diese Intuition auf eine solide wissenschaftliche
Grundlage zu stellen. Hier verdeutlichten quantitative und qualitative Erste-Person-Selbstberichte,
wie sich Gefühlszustände durch die Schulung von Empathie oder Mitgefühl veränderten. Diese
Selbstberichte erhellten zudem die Beziehung zwischen den Emotionen und den beobachteten
neuronalen Aktivierungen. Wir erkannten also, dass Empathie von negativem Affekt und stärkeren
Aktivierungen in neuronalen Arealen begleitet war, die am negativen Affekt und an der
Schmerzempathie beteiligt sind. Mitgefühl dagegen stärkte positiven Affekt, prosoziales Verhalten
und neuronale Aktivität die mit Zugehörigkeit, Liebe und positiven Emotionen verbunden ist.
Während die empathische Resonanz zum Burnout führen kann, eignet sich das Mitgefühl offenbar
als trainierbare Strategie, um die Prosozialität zu erhöhen und negative Erfahrungen durch
Resilienzstärkung zu überwinden.
Danksagung
Wir danken allen Studienteilnehmern und allen, die uns bei der Durchführung der Experimente
unterstützt haben. Unser Dank gilt besonders auch den Lehrern Catherine Felder, Annette Rentz-
Lühning, Jotika Hermsen und Ariya Ñani. Diese Arbeit wurde durch finanzielle Zuwendungen der
Universität Zürich, des Schweizer Nationalfonds und des Europäischen Forschungsrates
unterstützt (205557).
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