Mitgefühl: In Alltag und Forschung - page 283

Empathie versus Mitgefühl
In diesem Kapitel wollen wir beschreiben, was wir über Empathie und Mitgefühl wissen. Im
Gegensatz zu den meisten neurowissenschaftlichen Literaturrecherchen, die oft eine
ausschließlich datenorientierte Dritte-Person-Perspektive einnehmen, werden wir unsere
Beschreibungen über die Empathie- und Mitgefühlsforschung um eine Erste-Person-Perspektive
erweitern. Konkret werden wir erläutern, wie wir hierzu Wissen aus der Erste-Person-Perspektive
(subjektive Erfahrungen von Matthieu Ricard, der seit langer Zeit kontemplative Meditationen
praktiziert) mit objektiven empirischen Ergebnissen aus neurowissenschaftlichen Studien von
Tania Singer und Olga Klimecki kombiniert haben.
Dieser Weg begann mit dem ersten Kontakt zwischen Matthieu Ricard, einem seit langer Zeit
buddhistische Meditationen praktizierenden Mönch und studierten Wissenschaftler, und Tania
Singer, einer Psychologin und Neurowissenschaftlerin, die damals am Wellcome Department of
Imaging Neuroscience in London über die neuronale Basis von Empathie arbeitete. In so
genannten Schmerzempathie-Experimenten hatten Tania Singer und ihre Kollegen ein Paradigma
entwickelt, bei dem die Hirnaktivität von Studienteilnehmern während des Erlebens schmerzvoller
Stimulationen oder der Beobachtung einer anderen Person, die schmerzvolle Stimulationen erhielt,
mit funktioneller Kernspintomografie (fMRI) gemessen werden konnte (
.
Abbildung 1.
Konzept eines „Empathie-für-Schmerz-Paradigmas“. Es wird die Hirnaktivierung des in einem fMRI-
Scanner liegenden Probanden gemessen, während ihm und anderen neben dem Gerät sitzenden Personen
schmerzhafte und nicht-schmerzhafte Reize auf ihren Handrücken verabreicht werden. Pfeile indizieren die Intensität
der Stimulierung und zeigen an, wen der Reiz als nächsten erreicht. Mit Genehmigung adaptiert von Bernhardt &
Singer, 2012.
283
1...,273,274,275,276,277,278,279,280,281,282 284,285,286,287,288,289,290,291,292,293,...557
Powered by FlippingBook