Mitgefühl: In Alltag und Forschung - page 406

Wenn ein Gefühl zu stark ist und Sie zu viel Unwohlsein dabei spüren, kehren Sie mit Ihrer
Aufmerksamkeit zum Atem zurück, bis Sie sich besser fühlen.
Öffnen Sie dann langsam Ihre Augen, wenn Sie bereit dazu sind.
Auf die gleiche Weise können wir auch Schamgefühlen begegnen – Weich werden – beruhigen –
zulassen. Wenn etwas in unserem Leben
wirklich schief
geht, werden wir oft von tiefen
Selbstzweifeln überwältigt, die aus der Kindheit stammen und unser Selbstwertgefühl untergraben.
Dies sind negative Grundüberzeugungen oder Selbstprogramme: „Ich bin nicht liebenswert.“, „Ich
bin ein Versager.“, „Ich bin gestört.“, „Ich bin dumm.“
. Wir schämen uns für diese
Eigenschaften und tun alles, um sie vor anderen zu verbergen. Mit anderen Worten: Scham
entsteht als Reaktion auf negative Grundüberzeugungen. Grundüberzeugungen sind das
Fundament für viele weitere negative Emotionen, wie Wut, Angst, Neid oder Hass. Wenn wir eine
freundlichere Beziehung zu diesen „schambesetzten“ persönlichen Eigenschaften finden, können
wir viel seelisches Leid beseitigen. Zu diesem Zweck verfahren wir genauso wie oben: Die
negative Grundüberzeugung benennen, herausfinden, wo wir in unserem Körper die Scham über
diese Grundüberzeugung empfinden und dann weich werden – beruhigen – zulassen. Diese
Übung schließt mit der Erinnerung daran ab, dass unsere Überzeugungen über uns selbst genau
das sind –
Überzeugungen
, keine Tatsachen – und es unser Ziel ist es,
alles
, von dem wir denken,
dass wir es sind, alle unsere „
Selbste
“, in liebendem Gewahrsein anzunehmen.
Die Hausaufgabe für die Woche besteht darin, die Weich werden-Beruhigen-Zulassen-Technik
immer dann anzuwenden, wenn im Laufe des Tages emotionaler Stress auftritt.
Trainingseinheit 7: Schwierige Beziehungen transformieren
Alle Beziehungen beinhalten auch Schmerz. Sartre
sprach die berühmten Worte: „Die Hölle,
das sind die anderen.“ Bei schwierigen Beziehungen kann es sich um aktuelle ebenso wie um
ältere Beziehungen zu verstorbenen Freunden und Angehörigen handeln. Die „schwierige“ oder
„herausfordernde“ Person ist eine Person, die uns verletzt hat. Und möglicherweise kämpfen wir
mit dem Schmerz und der Person, obwohl die schwierigen Zeiten schon lange vorbei sind.
Begegnungen mit schwierigen Menschen lassen sich in unserem Leben nicht gänzlich vermeiden
– selbst dann nicht, wenn wir ganz allein auf der Spitze eines Berges leben würden – unsere
Gedanken sind von Menschen besetzt. Wenn wir lernen, schwierige Beziehungen zu
transformieren, ist das deshalb das Beste, was wir für uns selbst tun können.
Es gibt mindestens zwei Arten von Beziehungsschmerz: 1) den Schmerz der Trennung und 2) den
empathischen Schmerz – der mitfühlt mit dem Leid anderer wenn beispielsweise die eigenen
Kinder in Not sind.
Ein wesentlicher Bestandteil im Umgang mit Beziehungsschmerz jeglicher Art ist Selbstmitgefühl –
sich öffnen für das Leid, das wir oft unbewusst mit uns herum tragen, und mit Freundlichkeit und
Trost auf die Last reagieren. Wir sind so geschaffen, dass wir die Schmerzen anderer, manchmal
wie eine „Ansteckung“ spüren können, durch die Funktion unser Spiegelneuronen.
Spiegelneuronen ahmen in unserer eigenen Muskulatur subtil das nach, was wir in anderen sehen,
und geben uns so ein Gespür dafür, was andere fühlen
Dieser Prozess wird in einer
Übung während des Seminars verdeutlicht, bei der sich zwei Menschen gegenüber sitzen und
anschauen und abwechselnd Wut, Ekel, Angst, Glücklichsein, Traurigkeit usw. zum Ausdruck
bringen. Für den Beobachtenden ist es meistens einfach, das ausgedrückte Gefühl in seinem
eigenen Körper ebenfalls zu erleben.
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