Mitgefühl: In Alltag und Forschung - page 397

Die Suche nach der eigenen mitfühlenden Stimme setzt sich in einer Hausaufgabe unter dem Titel
„Mitfühlender Brief an mich selbst“ fort, in dem wir spontan und unzensiert ein Problem
beschreiben, das uns mit einem Gefühl leichter Scham oder Unzulänglichkeit zurücklässt. Dann
schreiben wir aus der Perspektive eines bedingungslos liebenden und verständnisvollen Freundes
einen Brief, der sich auf die wahrgenommene Unzulänglichkeit konzentriert. Darin machen wir
freundliche Vorschläge, wie man das ändern könnte und achten darauf, dass der gesamte Brief
von einem starken Gefühl der Freundlichkeit und Fürsorge eines Freundes durchzogen ist.
In der Trainingseinheit 4 reden wir auch darüber, wie wichtig Selbstmitgefühl für pflegende und
betreuende Menschen ist, die durch die Fürsorge für andere selbst in Erschöpfung geraten, wenn
sie sich nicht die Freundlichkeit und Unterstützung geben, derer sie bedürfen. Wir erläutern die
Bedeutung konventioneller Abhilfestrategien für Pflegekräfte, wie beispielsweise angemessene
Grenzen setzen und Strategien der Selbstfürsorge umsetzen (Sport, Zeit mit Freunden). Zusätzlich
stellen wir aber auch Strategien vor, wie man mit Gleichmut in der
Präsenz
des Leidens bleiben
kann. Im Umgang mit einem Menschen, der wirklich verletzend ist, sollte sich der Großteil unserer
Aufmerksamkeit dem Selbstmitgefühl für den empathischen Schmerz widmen, den wir erleben. So
bleibt unser Herz offen und verfügbar.
Wir stellen den Teilnehmern eine Übung vor, die sie praktizieren können, wann immer sie sie
benötigen: „Mitgefühl ein- und ausatmen“. Diese Meditation wurde in Anlehnung an die tibetische
Praxis des „Gebens und Nehmens“ (Tong Len)
entwickelt. In dieser traditionellen Meditation
atmet der Übende den Schmerz und das Leid eines anderen ein und die Güte und Mitgefühl aus.
Dieser Prozess trägt zu einer subtilen Umkehr unserer instinktiven Tendenz bei, emotionalen
Schmerz zu vermeiden oder Widerstand dagegen zu leisten, was unvermeidlich zu noch größerem
Leid führt. Bei belasteten Pflegekräften empfehlen wir jedoch, Mitgefühl für sich selbst einzuatmen
und Mitgefühl für andere auszuatmen, damit die Last, die sie zu tragen haben, so leicht wie
möglich wird. Diese Meditation kann tagsüber für kurze und längere Zeiträume praktiziert werden.
Hier können Sie die folgende Meditation herunterladen:
Durch Klicken auf
„Breathing Compassion In and Out“ erhalten Sie eine mp3-Datei dieser Meditation.
Mitgefühl ein- und ausatmen
Setzen Sie sich bequem hin. Schließen Sie Ihre Augen und nehmen Sie einige entspannende
Atemzüge.
Tasten Sie Ihren Körper mental auf körperlichen Stress ab und nehmen Sie dabei die jeweilige
Stelle und die Qualität der Beschwerden wahr. Erlauben Sie sich auch, belastende Gefühle
wahrzunehmen, die sich möglicherweise in Ihrem Aufmerksamkeitsfeld befinden. Wenn eine
schwierige Person in Ihren Gedanken auftaucht, nehmen Sie den mit dieser Person
verbundenen Stress aufmerksam wahr. Und wenn Sie das Leid eines anderen Menschen
empathisch miterleben, nehmen Sie auch diese Unannehmlichkeit aufmerksam wahr.
• 
Im Bewusstsein des Stresses, den Sie in Ihrem Körper tragen, atmen Sie jetzt voll und tief
Mitgefühl in Ihren Körper ein, das jede Zelle Ihres Körpers erreicht. Und lassen Sie sich selbst
ruhig und ruhiger werden, durch tiefes Einatmen und dadurch, dass Sie sich das Mitgefühl
geben, das Sie verdienen, wenn Sie Belastung erleben.
Und wenn Sie ausatmen, senden Sie Mitgefühl an den Menschen, auf den sich Ihr Unwohlsein
bezieht, oder atmen Sie Mitgefühl an alle Lebewesen generell aus.
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