Mitgefühl: In Alltag und Forschung - page 390

Das Default-Mode-Netzwerk aktiviert ein Gefühl von „ich“, „mich“ und „mein“, das Dualität in unser
Leben einführt und zwischen unseren persönlichen Bedürfnissen und Erwartungen und dem
differenziert, was im gegenwärtigen Moment geschieht. Und je stärker wir das, was in unserer
Erfahrung geschieht, bekämpfen oder uns ihm widersetzen („Das darf nicht passieren!!!“), umso
stärker leiden wir. Die Formel lautet: Leiden = Schmerz x Widerstand. Beispiel:
Durch die Bekämpfung von Schlaflosigkeit können wir Schlafstörungen erzeugen.
Durch die Bekämpfung von Angst können wir Panik erzeugen.
Durch die Bekämpfung von Trauer können wir Depressionen entwickeln.
Durch die Unterdrückung von Schmerz können wir das chronische Schmerzsyndrom
erzeugen.
Durch die Bekämpfung des miesen Freundes Ihrer Tochter erhalten Sie schließlich einen
miesen Schwiegersohn!
Schmerz ist unvermeidlich im Leben. Leiden ist freiwillig. Achtsamkeit ist das Gegenteil von
Widerstand. Sie ist eine Herangehensweise, unnötigen Widerstand und unnötiges Leiden zu
lindern.
Mit der Achtsamkeitsmeditation, zumindest in der Form, wie sie in der westlichen Hemisphäre
praktiziert wird, können wir drei Kompetenzen erlernen
1. Gerichtete Aufmerksamkeit – Konzentration
2. Offenes Gewahrsein – Achtsamkeit
an sich
3.
Liebende Güte und Mitgefühl
 Gerichtete Aufmerksamkeit beruhigt den Verstand: Wir üben Konzentration, damit wir unsere
Aufmerksamkeit in Situationen, in denen wir durch starke Emotionen hin- und hergeworfen
werden, sicher verankern können. Das offene Gewahrsein erweitert unser Bewusstheitsfeld so,
dass wir wissen, was passiert, wenn es passiert. Das hilft uns zu bemerken, ob wir uns durch
einen dramatischen Ablauf mitreißen lassen. Gleichzeitig hilft es uns, unseren Widerstand gegen
die Realität des gegenwärtigen Augenblicks loszulassen. Liebende Güte und Mitgefühl sind Mittel,
die uns dabei helfen, uns im unvermeidlichen Schmerz des Lebens zu besänftigen und zu
beruhigen. Während sich die Achtsamkeit auf das Erleben selbst richtet, richtet sich Mitgefühl auf
den
Erfahrenden
, der leidet.
 In der Trainingseinheit 2 vermitteln wir den MSC-Teilnehmern nicht nur, ihrem eigenen Erleben
und ihren Erfahrungen mit Bewusstheit zu begegnen, sondern darüber hinaus mit sanfter,
warmherziger und liebevoller Bewusstheit. Eine Kernmeditation aus dem MSC-Programm ist
„Liebevolles Atmen“. Wenn die Aufmerksamkeit auf den Atem gerichtet wird, beruhigt sich der
Verstand, weil die Zeit der Beschäftigung mit stressvollen Gedanken begrenzt wird. Die Meditation
des „Liebevollen Atmens“ hält die Teilnehmer nicht nur dazu an, ihre Aufmerksamkeit immer
wieder zu der Empfindung des Atmens zurückzuführen, sondern dies in einer sanften, nicht
verurteilenden, warmherzigen Weise zu tun. Wir lernen zu schätzen, wie der Atem auch dann
Leben in unseren Körper bringt, wenn wir mit anderen Dingen beschäftigt sind – er atmet uns. Der
Atem beruhigt uns zudem mit seinem besänftigenden Rhythmus, der wie die Wellen des Meeres
kommt und geht.
390
1...,380,381,382,383,384,385,386,387,388,389 391,392,393,394,395,396,397,398,399,400,...557
Powered by FlippingBook