Mitgefühl: In Alltag und Forschung - page 372

Gesichtsbewegungen beschreibt, die sich aus Videoaufzeichnungen sichtbar kodieren lassen.
Zwei Diplomanden, Brandon King und Anthony Zanesco, kodierten unter Leitung von
Emotionsforscherin und FACS-Masterteacher Erika Rosenberg Einzelbild für Einzelbild die
Videoaufnahmen der Teilnehmer, die beim Anschauen der Clips entstanden waren. Sie konnten
exakt Zeitpunkt und Intensität der Gesichtsmuskelbewegungen (so genannte „Aktionseinheiten“)
identifizieren. Durch Gruppierung des zeitnahen Auftretens verschiedener Aktionseinheiten und
Verwendung eines Lexikons für emotionale Gesichtsausdrücke können wir die zu einem
bestimmten Zeitpunkt ausgedrückte Emotion ableiten (
.
Dieses Manuskript von der Hauptautorin Erika Rosenberg befindet sich derzeit im Druck und die
Ergebnisse der Analysen werden demnächst veröffentlicht.
Natürlich konnten wir in diesem kurzen Kapitel viele Aspekte dieses Projektes nicht
beschreiben
. So haben wir beispielsweise auch die Zusammenhänge zwischen
Veränderungen in Aspekten selbstberichteter Achtsamkeit und Kortisol-Reaktionen am Ende der
Retreats untersucht und bei Retreat-Ende einen geringeren Anstieg des nachmittäglichen Kortisols
vorgefunden (angesichts der intensiven Gemeinschaft, die entsteht, wenn Menschen monatelang
ein gemeinsames Meditationsretreat erleben, ist dies ein Zeitpunkt von potenziell psychischem
Trennungsstress). Dabei hatten die Studienteilnehmer, die die höchste Zunahme bei der
selbstberichteten Achtsamkeit zeigten, nach dem Retreat geringere nachmittägliche/abendliche
Kortisolwerte
. Wir haben auch damit begonnen, die Bedeutung der Trainingserfahrungen in
den Rückmeldungen der Studienteilnehmer zu untersuchen. Diese brachten ihre Erfahrungen in
strukturierten Gesprächen zum Ausdruck, die Baljinder Sahdra beim zweiten Dreimonatsretreat
durchgeführt hat. In enger Zusammenarbeit mit Dr. Susan Bauer-Wu von der Emory University
haben Drs. Sahdra und Bauer-Wu sowie ihre Kollegin Rachel Whitworth 33 solcher Interviews
kodiert und daraus einen Satz von 151 thematischen Codes entwickelt, die die gesamten
Antworten auf Fragen zu umfassenden Bereichen praktischer Lebenserfahrungen von der eigenen
Weltsicht bis hin zu den Lebensbedingungen wiedergeben
Diese Daten werden es uns
ermöglichen, die Änderungen, die wir in kognitiver Leistung, Hirnaktivierungen, emotionalen
Reaktionen und neuroendokrinen sowie Immunsystemregulatoren festgestellt haben, mit dem in
Verbindung zu bringen, was die Teilnehmer persönlich am bedeutungsvollsten fanden. Diese
Zusammenführung von Erste-Person- und Dritte-Person-Studiendaten war das Herzstück des
Forschungsprogramms in kontemplativer Wissenschaft, wie es bereits Francisco Varela vor Augen
hatte
.
Zusammengefasst haben wir einen generellen Ansatz beschrieben, der zwei bedeutende Aspekte
des Kontemplationstrainings erfasst, die sich direkt auf die Entstehung von Mitgefühl beziehen
(siehe
): das Erreichen einer größeren Aufmerksamkeitsstabilität und einer größeren
emotionalen Balance. Es bleibt noch viel für uns zu tun und wir freuen uns über die vielfältigen
Möglichkeiten, diese einmaligen Datenbestände weiter auszuwerten und dadurch zur Entdeckung
von Wegen beizutragen, auf denen Kontemplationspraktiken den Geist transformieren sowie eine
tiefe und mitfühlende Wertschätzung für sich selbst und andere fördern.
Wir verwendeten dann das Facial Action Coding System (FACS)
das 46 verschiedene
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