Mitgefühl: In Alltag und Forschung - page 454

Teilnehmer Achtsamkeit, indem sie ihre Aufmerksamkeit auf den Atem richten und lernen, von
einem Moment zum anderen wahrzunehmen, wie der Atem in den Körper eintritt und wie er den
Körper wieder verlässt. Nach und nach verfeinern die Teilnehmer durch diesen Prozess ihre
Aufmerksamkeit – so wie ein Forscher sein Mikroskop justiert. Und sobald sich die
Aufmerksamkeit ein bisschen verfeinert hat, können die Teilnehmer ihren Geist nutzen, um die
oben erläuterten Meditationsarten durchzuführen. Sie haben damit ein großartiges Werkzeug an
der Hand, Mitgefühl zu kultivieren. Achtsamkeit ist also wesentlich und grundlegend für die
Kultivierung von Mitgefühl.
Fazit: CBCT lehren und praktizieren
Für die CBCT-Lehrer steht ein vollständiges CBCT-Handbuch zur Verfügung, das weitere
Informationen über die einzelnen Phasen des Protokolls, Anleitungen für geführte Meditationen,
Definitionen von Schlüsselbegriffen und -konzepten sowie Beispiele für die Unterrichtung der
Themen enthält. Den Praktizierenden werden zudem zu jedem Thema Audio-Dateien mit
geführten Meditationen zur Verfügung gestellt. Wichtige Voraussetzungen für die Lehrer sind
solide Kenntnisse der Schlüsselkonzepte des CBCT, die in diesem Kapitel beschrieben werden,
sowie der Logik der gewählten Reihenfolge und der Kenntnisse darüber, wie die einzelnen Schritte
zusammenhängen und dazu beitragen, die erforderlichen Bedingungen für die Entstehung eines
aufrichtigen, unvoreingenommenen Mitgefühls zu schaffen. Das Handbuch enthält viele Beispiele
und Übungen, die die Lehrer einsetzen können. Lehrer, die umfassend mit dem CBCT-Programm
vertraut sind, können auch ihre eigenen Übungen und Beispiele verwenden, solange der Inhalt,
den sie damit vermitteln, der gleiche bleibt.
Am wichtigsten ist es, die Konzepte in einer Weise zu präsentieren, die übliche Denk- und
Reaktionsmuster hinterfragt und die Teilnehmer dazu veranlasst, kritisch auf Situationen und
Beziehungen zu schauen. Die geführten Meditationen machen Gebrauch von der analytischen
Meditation, um solche Muster und Glaubenssätze in der Meditationssitzung selbst kritisch zu
untersuchen. Ein Gespräch über Gleichmut und Unvoreingenommenheit kann zum Beispiel mit
einer Übung verbunden sein, bei der die Teilnehmer einen Zettel aus einem Hut ziehen, auf dem
eine Szene beschrieben ist, und sich dann entlang einer Linie auf dem Boden aufstellen, die
symbolisiert, wie viel empathische Anteilnahme sie für die in der Szene beschriebene Person
empfinden. Die Szene könnte zum Beispiel lauten: „Ein Mensch, der einen Ihrer
Familienangehörigen gewalttätig angegriffen hat, ist wegen guter Führung vorzeitig aus dem
Gefängnis entlassen worden“. Die Teilnehmer nehmen dann ihren Platz an der Linie ein, der
anzeigt, wie stark sie mit der fraglichen Person empathisieren können. Anschließend werden sie
gebeten, ihre Wahl zu erläutern. Dann fragt der CBCT-Lehrer beispielsweise: „Was wäre, wenn es
sich bei der freigelassenen Person um Ihren Sohn oder Ihre Tochter handeln würde?” Solche
zusätzlichen Informationen veranlassen einige Teilnehmer meistens dazu, ihre Position entlang
der Linie noch einmal zu korrigieren, was weitere Gespräche auslöst. In der geführten Meditation,
die sich dann an das Gespräch anschließt, vergegenwärtigen sich die Teilnehmer einen Freund,
eine neutrale Person und eine schwierige Person in ihrem Leben. Sie imaginieren, wie jeder dieser
Personen hintereinander etwas Gutes widerfährt. Sie beobachten dabei ihre eigenen Reaktionen
und achten auf Unterschiede. Dann imaginieren sie, dass jeder Person etwas Schlechtes zustößt
und beobachten, wie die empathische Anteilnahme und das entstehende Mitgefühl tendenziell in
Abhängigkeit davon, ob die Person ein Freund, ein Fremder oder jemand ist, mit dem sie
Schwierigkeiten haben, variiert. Dann werden sie – weiter in der Meditation verbleibend – dahin
geführt, ihre Reaktionen und das Ungleichgewicht ihrer Gefühle zu analysieren sowie zu
untersuchen, ob dieses Ungleichgewicht berechtigt ist oder nicht, ob wir eine solche
Voreingenommenheit bewerten, wenn wir sie an anderen beobachten, was die Vorteile von
Voreingenommenheit und die Vorteile von Unvoreingenommenheit sind usw. Wenn die Teilnehmer
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