Mitgefühl: In Alltag und Forschung - page 481

vertiefen, grenzen wir Mitgefühl gegen Empathie für Leid ab, die wir als reine emotionale
Resonanz begreifen (siehe
). Über angeleitete Meditationen wird der Unterschied auf
dem Erfahrungsweg zugänglich, damit die Teilnehmer hilfreiche (mitfühlende) Wege der
Anteilnahme von anderen, potenziell eher nachteiligen (rein empathischen) Ansätzen
unterscheiden können.
In dem 13-wöchigen Kurs bauen wir die Herzmeditation nach und nach auf. Dabei werden die
eigene Person, ein Wohltäter, ein enger Freund, eine neutrale und eine schwierige Person oder
ganze Menschengruppen als Objekte gewählt und für diese Objekte der Wunsch kultiviert, dass
sie glücklich und frei von Leid sein mögen. Während des gesamten Kurses berücksichtigen wir,
dass es den Teilnehmern unterschiedlich leicht fällt, diese Wünsche zu erzeugen und sie in Bezug
auf unterschiedliche Lebewesen zu empfinden. Obwohl in den wöchentlichen Projekteinheiten
spezielle Schwerpunkte vorgesehen sind (beispielsweise „Ich“, „schwieriger Mensch“) werden die
Teilnehmer ermutigt, ihre individuellen Neigungen zu verstehen und damit zu arbeiten. So werden
sie etwa ermutigt, mit einem guten Freund statt mit sich selbst zu beginnen, wenn das einfacher
erscheint, und die Intention dann von dort aus auf andere zu erweitern. Darüber hinaus werden
verschiedene Möglichkeiten erläutert, die Praxis in das eigene Alltagsleben zu integrieren (z.B.
Mitgefühlspraxis in der U-Bahn). Zudem werden Partnerübungen eingesetzt, um den Transfer der
kultivierten Qualitäten auf interpersonelle Situationen zu unterstützen.
Perspektive
Dieses Modul konzentriert sich auf die kognitiven Aspekte des Mitgefühls. Konkret lernen die
Teilnehmer hier, Perspektiven auf Gedanken, das Ich-Gefühl und andere Menschen einzunehmen.
Im Falle von Gedanken geht es um eine Perspektive der Beobachtung ohne Identifizierung. Durch
diese Art der Beziehung zu den eigenen Gedanken entsteht „Raum“ um die Entstehung eines
Gedankens und nachfolgende Reaktionen auf den Gedanken in Form von Emotionen,
Handlungstendenzen oder weiteren Gedanken. Die Teilnehmer beobachten auch
makroskopischere Dynamiken in sich selbst, das heißt ihre inneren „Anteile“, „Rollen“ oder
„Selbstaspekte“
Sie versuchen, eine ähnliche Perspektive auf diese Anteile zu kultivieren wie
auf ihre Gedanken, sich also nicht voll mit ihnen zu identifizieren und sich ständig der
Vergänglichkeit solcher Teile oder Aspekte bewusst zu bleiben. Schließlich zielt das Modul darauf
ab, die Fähigkeit der Teilnehmer zu stärken, sich von der eigenen Perspektive zu lösen und die
Perspektive anderer Menschen einzunehmen und zu versuchen, ihre Gedanken, Motive und
Gefühle auch dann zu verstehen, wenn sie sich sehr von den eigenen unterscheiden.
Die erste Kernübung in diesem Modul ist eine Meditation, die als „Gedanken beobachten“
bezeichnet wird. Die zweite Übung ist eine Partnerübung, bei der ein Partner lernt, zwischen
verschiedenen Selbstanteilen hin und her zu wechseln, während der Zuhörende die kognitive
Perspektivübernahme auf andere einübt und versucht herauszufinden, aus welchem dieser Anteile
heraus der andere gerade spricht.
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