Mitgefühl: In Alltag und Forschung - page 473

Das ReSource-Trainingsprotokoll
Einleitung
In diesem Kapitel wird das Trainingsprotokoll des ReSource-Projekts beschrieben, das die
Kultivierung von Mitgefühl im Rahmen eines rund neunmonatigen Trainings zum Ziel hat. Das
ReSource-Projekt ist eine groß angelegte, wissenschaftliche Studie, die von der Europäischen
Union (Referenz-Nr.: ERC-2007-StG; Finanzhilfevereinbarungsnummer: 205557) und der Max-
Planck-Gesellschaft finanziert und unter der Leitung von Prof. Dr. Tania Singer von der Abteilung
Soziale Neurowissenschaft am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften
durchgeführt wird.
Geschichte und Entwicklung des ReSource-Trainingsprogramms
In die Entwicklung des Trainingsprotokolls für das ReSource-Programm, die mehrere Jahre in
Anspruch genommen hat, sind Inspirationen aus den unterschiedlichsten Quellen eingeflossen.
Seinen Anfang genommen hat das Programm in den Arbeiten der Studienleiterin Tania Singer zu
den neurologischen Grundlagen von Empathie, Mitgefühl und kognitiver Perspektivübernahme. Im
Kontext dieser Arbeiten lernte sie die seit langem Mitgefühlsmeditation praktizierenden
buddhistischen Mönche Matthieu Ricard und Barry Kerzin sowie viele andere Menschen kennen,
die in zahllosen Gesprächen und Kooperationen dazu beigetragen haben, das theoretische Gerüst
des vorliegenden Programms zu entwickeln. Bereits frühzeitig sind in das Programm auch
Anregungen von Kollegen wie Paul Ekman und Paul Gilbert sowie die kontinuierlichen
Lernerfahrungen eingeflossen, die im Kontext zahlreicher Konferenzen des Mind and Life Instituts
und in vielen persönlichen Retreats gewonnen wurden. Besonders zu erwähnen ist in diesem
Zusammenhang der sogenannte Satori-Prozess, der auf kontemplativen dyadischen
Begegnungen basiert
In abgewandelter Form sind diese kontemplativen Dialoge zu einer
der Kernübungen des ReSource-Projektes geworden, da wir den Eindruck haben, dass sich
intersubjektive Kompetenzen und die soziale Kognition in tatsächlichen Begegnungen mit anderen
Menschen leichter kultivieren lassen als über imaginäre Begegnungen, wie sie in
Einzelmeditationspraktiken üblich sind. Eine weitere wesentliche Inspirationsquelle für einige der
Übungen waren auch die Erfahrungen von Tania Singer mit dem (von Regula Langemann und
Suna Yanamer unterrichteten) Konzept der „Gewaltfreien Kommunikation“
nach Marshal
Rosenberg.
Nach der anfänglichen Entwicklungsphase wurde das Protokoll gemeinsam mit einer
Protokollentwicklungsgruppe weiter verfeinert. Diese aus Tania Singer, Boris Bornemann, Willi
Zeidler, Christina Zube und Matthias Bolz bestehende Gruppe traf sich ein Jahr lang einmal
wöchentlich und wurde im Laufe der Zeit in mehreren Intensiv-Workshops punktuell von weiteren
Experten unterstützt. Der erste Teil des Trainingsprogramms (Präsenz) ist stark durch die Arbeit
von John Kabat-Zinn und sein achtwöchiges Mindfulness-Based Stress Reduction Program
[4]
beeinflusst. Der affektive Teil des Programms wurde von früheren Forschungsprojekten unseres
Labors zu den Auswirkungen von liebender Güte, Empathie und Mitgefühl auf das subjektive
Wohlbefinden und das Gehirn
(siehe auch
) inspiriert und durch
Kontemplationslehrer wie Fred von Allmen, Ursula Flückiger und Marie Mannschatz unterstützt.
Ergänzt wurde dieser Teil durch Elemente des Selbstmitgefühlsprogramms von Neff und Germer
(siehe
). Der Teil schließlich, der sich mit der Perspektivübernahme beschäftigt, wurde
auf der Grundlage a) früherer Forschungsergebnisse zur kognitiven Perspektivübernahme, b) der
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