Mitgefühl: In Alltag und Forschung - page 501

interagieren/zusammenarbeiten. Als Leitfaden unterstützt er Klinikärzte dabei, die Elemente des
oben beschriebenen Mitgefühlsmodells umzusetzen. Der Text lässt sich auf jede individuelle
Situation und jede Person zuschneiden und verändern.
Den Weg für Mitgefühl in klinischen Begegnungen bereiten (Halifax/Back/Rushton):
1. Aufmerksamkeit:
Halten Sie inne. Atmen Sie tief ein. Geben Sie sich selbst genug Zeit, sich zu erden. Laden
Sie sich selbst ein, präsent und ganz in Ihrem Körper zu sein, indem Sie sich ganz in eine
Stelle in Ihrem Körper einfühlen, die Stabilität verkörpert. Sie können Ihre Aufmerksamkeit
beispielsweise auf Ihren Atem richten oder auf einen neutralen Teil Ihres Körpers, wie Ihre
Fußsohlen oder Ihre aufeinander liegenden Hände. Diesen Moment des Zuruhekommens
können Sie nutzen, um Ihre Annahmen und Erwartungen zu unterbrechen (A/A-Achse:
Aufmerksamkeit)
2. Intention erinnern:
Erinnern Sie sich daran, worum es bei Ihrem Dienst für den Patienten wirklich geht – das Leid
dieses individuellen Menschen zu lindern, mit Integrität zu handeln und die Integrität des
anderen zu schützen.
Erinnern Sie sich an Ihr Gefühl, das Sie empfunden haben, als Sie sich bewusst dafür
entschieden haben, das Leid anderer zu lindern und in dieser Weise zu dienen. Diese
„Auffrischung“ kann innerhalb von Sekunden geschehen. Ihre Motivation lenkt Sie immer
wieder auf den richtigen Weg zurück, der ethisch fundiert ist und Sie mit dem Patienten und
mit Ihren höchsten Werten verbindet. (A/A, I/I Achse: Affekt, Intention)
3. Einstimmung – auf sich selbst, dann auf den Patienten:
Beachten Sie zunächst, was in Ihren eigenen Gedanken und in Ihrem eigenen Körper gerade
passiert. Dann fühlen Sie sich in das Erleben Ihres Patienten ein. Fühlen Sie sich darin ein,
was der Patient sagt. Achten Sie insbesondere auf seine emotionalen Signale: den Tonfall
seiner Stimme, die Körpersprache. Spüren Sie ohne Bewertung. Dies ist ein aktiver Prozess
des Erforschens, der sich zunächst auf Sie selbst, dann auf den Patienten bezieht. Öffnen Sie
einen Raum, in dem sich die Begegnung entfalten kann, in dem Sie präsent für alles sind,
was entsteht, in Ihnen und in Ihrem Patienten. Wie Sie den Patienten wahrnehmen, wie Sie
ihn anerkennen, wie Ihr Patient Sie wahrnimmt und Sie anerkennt – all das ist Bestandteil des
wechselseitigen Austausches. Je reicher Sie diesen wechselseitigen Austausch gestalten,
umso mehr Entfaltungsmöglichkeiten entstehen. (A/A-Achse: Affekt)
4. Bedenken Sie, was Ihrem Patienten wirklich dient, indem Sie wirklich präsent bei Ihrem
Patienten sind und Einsichten entstehen lassen.
Während sich die Begegnung mit dem Patienten entfaltet, achten Sie darauf, was der Patient
möglicherweise in diesem Moment anbietet. Was empfinden, sehen, erfahren Sie? Fragen Sie
sich selbst: Was ist hier wirklich dienlich?
Machen Sie Gebrauch von Ihrer ganzen Erfahrung, Ihrem ganzen Wissen und Ihrer ganzen
Fachkompetenz. Seien Sie gleichzeitig offen dafür, die Dinge mit einem ganz neuen Blick zu
betrachten. Dies ist ein diagnostischer Schritt – auch wenn die auftauchenden Einsichten
möglicherweise nicht einer medizinischen Kategorie zuzuordnen sind. Ziehen Sie Ihre
Schlüsse nicht zu schnell: (I/I-Achse: Einsicht)
5. Wirken und handeln Sie in ethisch vertretbarer Weise und beenden Sie dann die Interaktion:
Lassen Sie den nächsten Schritt entstehen. (E/E-Achse)
Teil 1:
Wirksam handeln und umsetzen:
Mitfühlendes Handeln entsteht aus einem Raum der Offenheit,
Verbundenheit und Einsicht, den Sie geschaffen haben. Dieses Handeln kann eine Empfehlung
sein, eine offene Frage über Werte oder sogar ein Vorschlag, wie Sie die restliche Zeit mit diesem
501
1...,491,492,493,494,495,496,497,498,499,500 502,503,504,505,506,507,508,509,510,511,...557
Powered by FlippingBook