Mitgefühl: In Alltag und Forschung - page 513

Atem und stabilisieren Sie Ihren Geist. Versuchen Sie, 21 Atemzyklen ohne Ablenkung zu
beobachten. Sobald Ihr Geist stabiler und klarer ist, stellen Sie sich vor, dass einer Ihrer besten
Freunde oder Familienangehörigen vor Ihnen steht. Sie sehen sie oder ihn in einer glücklichen
Stimmung. Jetzt stellen Sie sich vor, wie ihm oder ihr etwas Probleme bereitet: Es könnte eine
Verletzung sein, eine tödliche Erkrankung oder brutale Folter. Beobachten Sie, wie sich Ihr Herz
der Person gegenüber öffnet und wie Sie sich für diese Person eine Befreiung von Leid wünschen.
Bewegen Sie jetzt Ihre Gedanken nicht weiter und vermeiden Sie dieses Gefühl nicht – bleiben Sie
einfach ganz bei der Vorstellung, wie sehr Sie sich für diese Person eine Freiheit von Leid
wünschen. Werden Sie sich zutiefst gewahr, wie unerträglich es für Sie ist, diese Person in Not zu
sehen und wie Ihre Intention zu helfen wächst. Spüren Sie, wie unangenehm diese Situation für
Sie ist. Diese Reaktion ist natürlich. Sie zeigt Ihr angeborenes Mitgefühl und beweist, dass Sie die
Möglichkeit haben, es weiter zu entwickeln.
Wechseln Sie jetzt zu jemandem, der Ihnen nicht so vertraut aber dennoch bekannt ist und
wiederholen Sie das Ganze. Stellen Sie sich vor, wie er oder sie in Not ist und leidet. Das Leid, das
Sie beim anderen sehen, ist unerträglich und Sie möchten Abhilfe schaffen. Kultivieren Sie diese
Empfindung „des vom Wunsches, das Leid dieses Menschen zu lindern und die Ursachen von
Leid zu beseitigen“.
Wiederholen Sie diese Übung immer wieder. Sie fördert Ihre geistige Entschlusskraft, Reaktion,
Stärke und Stabilität. Sobald Sie sich in dieser Übung stabil fühlen, können Sie sie mit neutralen
Personen, Personen, die Sie nicht wirklich persönlich kennen, und schließlich – das ist noch
schwieriger – sogar Feinden fortsetzen. Versuchen Sie dies nicht gleich zu Beginn, weil es nicht
funktionieren wird. Aber seien Sie sicher, dass Sie durch Einüben des ersten Teils mit Freunden
und neutralen Menschen auch in der Lage sein werden, so für Menschen zu verfahren, die Sie als
Ihre Feinde betrachten.
2. Austauschen des Selbst mit anderen
Diese Übung ist etwas schwieriger und besteht aus zwei Teilen.
A)
Die erste Übung heißt „Das eigene Glück mittels Liebender Güte verschenken“: Durchlaufen Sie
zunächst den bekannten Prozess der Vergegenwärtigung von Menschen. Beginnen Sie auch hier
mit Freunden und Ihnen nahestehenden Menschen. Wenn Sie diese leiden sehen, denken Sie aus
der Tiefe Ihres Herzens: „Ich gebe diesem lieben Freund ohne Zögern alle Tugenden und alle
Herzensgüte, die ich selbst gesammelt habe, damit er davon profitieren möge.“
Diese Übung kann abwechselnd mit der Übung „Das Leid anderer Menschen mittels Mitgefühl in
sich aufnehmen“ angewandt werden. Dabei denken Sie nach der Vergegenwärtigung Ihrer
Freunde oder Ihnen nahestehender Menschen und der Wahrnehmung deren Leids aus der Tiefe
Ihres Herzens: „Ich gebe diesem lieben Freund ohne Zögern alle Tugenden, die ich selbst
gesammelt habe. Mögen sein Leid und die Ursachen seines Leids in mir reifen.“
Sie können diese Übungen entweder durch bloßes Denken ausführen oder sie durch eine
Visualisierung ergänzen: Stellen Sie sich beim Einatmen vor, wie die Negativität und das Leid
dieser Menschen wie schwarzer Ruß oder Rauch in Ihr Herz eintritt. Und wenn Sie ausatmen,
strahlt weißes Licht von Ihrem Herzen aus, das alle Menschen, die in Not sind, berührt und sie von
ihrem Leid befreit. Verfahren Sie bei jedem Atemzug so und schließen Sie durch allmähliche
Erweiterung des Kreises von Menschen auch neutrale Personen und dann Feinde mit ein.
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