Mitgefühl: In Alltag und Forschung - page 95

lässt nicht zu, dass unser Leben von unseren Neigungen zur Trägheit und zur Zögerlichkeit beherrscht
wird. Ein neuer Mut, der zuversichtlich sagt „Ich kann das“, wird genährt. Mit dieser Zuversicht erwächst
eine neue Vorstellung von Sinn und Zweck. Es geht nicht darum, unsere Bemühungen einfach aus
Langeweile und in stumpfsinniger harter Arbeit fortzusetzen. Stattdessen macht sich eine Begeisterung
breit, wenn man die langfristigen Vorteile der Beharrlichkeit entdeckt, Gutes zu tun. Beharrlichkeit
schwächt unseren von Trägheit geprägten Hang zur Aufgabe, insbesondere, wenn wir im Sinne des
höheren Zwecks der Anteilnahme an anderen handeln. Was könnte es für einen höheren Zweck geben,
als für das Wohlergehen anderer zu sorgen? Die sich daraus ergebenden Vorteile sind zweifacher Art:
der Vorteil, in dessen Genuss andere kommen, und der Vorteil, in dessen Genuss wir selbst kommen.
Wir fühlen uns entspannt und glücklich und sehen einen neuen Sinn in unserem Leben. Dies führt
insgesamt zu einer größeren Erfüllung und einer größeren Zufriedenheit – Dinge, die man mit Geld
nicht kaufen kann. Wenn ich angesichts von Hindernissen Beharrlichkeit zeige und schließlich die vor
mir liegende, förderliche Aufgabe in Angriff nehme, spüre ich eine innere Zufriedenheit – und zwar
unabhängig davon, ob ich die Aufgabe letztendlich bewältige oder nicht. Das ergibt ein Gefühl von
Erfolg und langfristigem Sinn. Die Inangriffnahme förderlicher Aufgaben lässt auch mein Inneres
gesunden und sorgt dafür, dass ich mich gut fühle.
Konzentration
Wenn wir uns erfolgreich in Großzügigkeit, Versöhnlichkeit, Geduld und Beharrlichkeit üben wollen,
brauchen wir einen konzentrierten, nicht abgelenkten Geist. Fokussierte Aufmerksamkeit oder
Konzentration durchbricht die Gewohnheit der Ablenkung. Darüber hinaus sorgt sie für mehr Klarheit
und Helligkeit des Geistes. Sie unterbricht das Grübeln. Sie unterbricht die gleichzeitige Erledigung
mehrerer Aufgaben. Sie unterbricht den unaufhörlichen inneren Dialog und ermöglicht es uns dadurch,
unsere Energien in eine gesunde Richtung zu lenken. Auf diese Weise werden Geist und Herz stabiler,
klarer und so kräftig wie ein Laserstrahl. Und dieser laserartige Geist trifft Entscheidungen, die durch
größere Klarheit und Wirksamkeit geprägt sind. Durch Konzentration entwickelt der Geist eine
umfassendere Perspektive. Potenzielle Ablenkungen werden ausgeschlossen. Die Situation liegt
glasklar vor uns, weil der Geist nicht durch Ablenkungen betrübt ist. Der Geist wird entspannter und wir
werden ruhiger, da weniger Unordnung herrscht. Der Geist springt nicht länger umher wie ein Affe. Das
sorgt für Raum und Offenheit in Geist und Herz. In diesem offenen Raum besteht eine Distanz zu
unerwünschten Gedanken und Gefühlen. Wir sind eher in der Lage, uns von solchen Gedanken und
Emotionen zu lösen. So haben wir eine größere Freiheit zu entscheiden, ob wir uns mit diesen
Gedanken und Emotionen beschäftigen wollen oder nicht. Geist und Herz können mehrere Szenarien
effektiv in den Blick nehmen und ruhig und mit Leichtigkeit von allen Seiten betrachten. So hat die
Entscheidungsfindung mehr Spielräume und führt durch größere Effizienz zu mehr Effektivität. Wenn
mein Geist konzentriert ist, fühle ich mich sehr wachsam und entspannt. Ich bin dann in der Lage, die
Dinge aus einer umfassenderen Perspektive wahrzunehmen. So fällt es mir leicht, Entscheidungen zu
treffen. Es existieren weder Angst noch Furcht. Ich scheine dann über eine größere visionäre Kraft zu
verfügen und fühle mehr Frieden. Es besteht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wachsamkeit und
Entspannung.
Die Konzentration zu kultivieren, ist ein Prozess [siehe
. Ich selber habe noch nicht das volle
Maß an Konzentration erreicht. Doch wenn mein Geist konzentriert ist, fühle ich mich total absorbiert.
Das Zeitgefühl existiert nicht mehr. Wenn ich aus einer konzentrierten Meditation wieder auftauche, bin
ich überrascht, wie viel Zeit vergangen ist. Es scheinen fünf Minuten gewesen zu sein, aber die Uhr
zeigt mir, dass es eine Stunde war. Mein Körper fühlt sich sehr leicht an und ich habe den Eindruck, ich
brauche keinen Schlaf. Natürlich werde ich später doch müde und schlafe. Mein Schlaf ist dann tief und
ungestört. Es ist ein Gefühl von Frieden und tiefer Entspannung. Wenn ich mich an die Weisheiten des
Buddhismus erinnere, dann erreicht mein Geist größere Tiefen.
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