Mitgefühl: In Alltag und Forschung - page 55

Unterstützung für Lehrer
Als Ausbilderin des Programms „Cultivating Emotional Balance“ (CEB, siehe
) sowie Entwicklerin
und Ausbilderin des Programms „Mindfulness-Based Emotional Balance“ (MBEB) habe ich das Privileg,
mit Lehrern in privaten und öffentlichen Schulen (von der Vorschule bis zum zwölften Schuljahr)
zusammen zuarbeiten. Dabei habe ich es sowohl mit Berufsanfängern als auch mit Schulleitern zu tun.
Bei den Trainings für Lehrer, die ich seit 2002 in verschiedenen US-amerikanischen und kanadischen
Städten durchführe, bin ich immer wieder von den Leiderfahrungen berührt, die Lehrer aufgrund von
unangemessenen Anforderungen erleben. Fast alle Lehrer in meinen Seminaren betrachten ihre Arbeit
als Berufung, obwohl sie erheblich unterbezahlt sind. Motiviert von ihrem Idealismus und dem Wunsch,
den Schülern dienlich zu sein, leiden sie oft unter der Doppelbelastung schwindender finanzieller Mittel
und steigender Leistungsanforderungen in den Schulen. Sowohl die CEB- als auch die MBEB-
Programme wurden ausschließlich im Hinblick auf das Wohlergehen der Lehrer entwickelt – ohne
versteckten Auftrag zusätzlicher Leistungsanforderungen an ihre Arbeit mit den Schülern. Oft erleben
die Lehrer in diesem Kontext zum ersten Mal, dass es hier wirklich nur um ihr persönliches
Wohlergehen und ihr seelisches Gleichgewicht geht. Zudem erhalten sie über die Programme die
Möglichkeit, sich wieder mit ihrer eigenen Selbstwirksamkeitserfahrung und Sinnhaftigkeit sowie mit
ihren Kollegen zu verbinden. Während eines Abschlussgespräches beschrieb ein Lehrer seine
Erfahrung so:
„Wissen Sie, ich habe es wirklich genossen, dass wir uns einmal ganz auf uns selbst konzentrieren
konnten. Als Lehrer sitzen wir in vielen Veranstaltungen, in denen uns Vorgehensweisen für unsere
Arbeit mit den Kindern vermittelt werden ... Aber niemand erzählt uns, wie wir uns selbst weiter
entwickeln können! Und das war für mich und offensichtlich auch für die anderen im Seminar so
wohltuend. Es kommt von Herzen. Es geht nicht um Formeln oder Techniken oder darum, glücklich zu
sein oder ein bestimmtes Gefühl zu entwickeln. Man kann den Kindern auch dann aus einem
seelischen Gleichgewicht heraus begegnen, wenn man ärgerlich oder verwirrt ist. Was für eine
Entlastung!”
„Cultivating Emotional Balance“ (CEB) [siehe
in diesem Buch] ist ein säkulares, achtwöchiges
Trainingsprogramm zur Stärkung von Aufmerksamkeitsfähigkeiten (Shamatha) und emotionalen
Fähigkeiten. Das CEB-Programm beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Kultivierung und
Ausgewogenheit der Vier Unermesslichen (Mitgefühl, Liebende Güte, Mitfreude und Gleichmut; weitere
Informationen siehe auch in
) sowie mit Anleitungen und Übungen in den vier
Anwendungsweisen der Achtsamkeit (Körper, Gefühlstöne, Seelenereignisse und Phänomene, siehe
. Die Schulung dieser Fähigkeiten wird mit einer theoretischen und erfahrungsorientierten
Unterrichtung in Emotionstheorie kombiniert. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den Funktionen,
Auslösern, Empfindungen und Erkenntnissen, die mit den „Primär“-Gefühlen Angst, Ärger, Verachtung,
Abscheu, Trauer, Glück und Überraschung verbunden sind. Für die ursprüngliche Forschungsstudie
waren Lehrer als Probanden ausgewählt worden, weil sie zum einen unter einer ständigen
Stressbelastung leiden und zum anderen einen erheblichen Einfluss auf das Leben unserer Jugend
haben. Das CEB-Pilotprogramm, die klinische Intervention und die postinterventionellen Follow-ups des
CEB-Programms wurden ausschließlich Lehrern angeboten.
Das Programm
ist eine von der Impact Foundation finanzierte
Anpassung des CEB-Programms. Es ergänzt den Grundrahmen der achtsamkeitsbasierten
Stressreduktion (Mindfulness-Based Stress Reduction – MBSR) durch Unterweisungen in Emotion und
Vergebung und wird Lehrern in den USA und Kanada angeboten. In beiden Ländern wurden acht
verschiedene Kohorten untersucht.
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